Horst Arenthold, der viele Jahre zum festen Ensemble des Ohnsorg-Theaters gehörte, starb unerwartet vor wenigen Tagen im Alter von 64 Jahren. Das Ohnsorg-Theater trauert um einen großartigen Vollblut-Komödianten und beliebten Volksschauspieler. Ein Nachruf vom langjährigen Oberspielleiter des Theaters, Frank Grupe.
Lieber Horst,
Du bist von uns gegangen. Ganz still, wie es Deinem Wesen entspricht. Auf der Bühne konntest Du brüllen, toben und rasen, im Privaten warst Du verhalten, ruhig und leise. Noch nie habe ich einen Schauspieler kennengelernt, noch dazu einen Komiker, der so wenig im Mittelpunkt stehen wollte wie Du: bescheiden, aufmerksam und zugewandt, immer eher zuhörend als Reden schwingend, so warst Du.
Als Du in der Spielzeit 1998/99 zum ersten Mal im Ohnsorg-Theater gespielt hast – das Stück hieß „Jeppe in‘t Paradies“ – sprachst du abseits der Bühne so gut wie nie ein Wort. Wer Dich nicht kannte, hätte Dich für blasiert oder desinteressiert an anderen Menschen halten können. Dabei warst Du nur schüchtern und zurückhaltend, wenn Du im Aufenthaltsraum oder in der Garderobe vor Dich hin schwiegst. Du brauchtest eine ganze Weile, Dich aus Deinem Schneckenhaus zu wagen, aber wenn Du erst einmal Zutrauen gefasst hattest, konnte man wunderbare Gespräche über Gott und die Welt mit Dir führen. Und schließlich hast Du dann doch recht bald Deine künstlerische Heimat im Ohnsorg-Theater gefunden.
Geholfen hat Dir dabei sicher die große Popularität, die Du schnell beim Publikum, aber auch bei allen Kolleg*innen gewonnen hast. Mit Deiner enormen Bühnenpräsenz, Deinem gewaltigen komischen Talent und Deiner tiefen Wahrhaftigkeit hast Du alle Herzen im Sturm erobert. Du warst einer der letzten großen Volksschauspieler, in einem Atemzug mit Walter Scherau, Henry Vahl und Jens Scheiblich zu nennen. Hätte man Dir das zu Lebzeiten gesagt, hättest Du nur den Kopf geschüttelt und verlegen zu Boden geschaut – mit großen Worten konntest Du nichts anfangen. Nichts lag Dir ferner als Lobhudelei; Klatsch und Intrige waren Dir vollkommen fremd. Du warst nicht nur ein großartiger Schauspieler, sondern auch ein ganz und gar integrer Mensch, eine Kombination, die man am Theater nicht allzu häufig findet.
Kennengelernt haben wir Zwei uns bereits 1987 im Ernst-Waldau-Theater in unserer gemeinsamen Heimatstadt Bremen. Ich spielte Garcin in „Geschlossene Gesellschaft“ von Jean Paul Sartre, Du den Kellner, der die Verdammten in die Hölle geleitet. Bereits in dieser kleinen Rolle konntest Du Deine große Begabung andeuten. Wenig später versuchte ich, Dich ans neu gegründete Theater der Stadt Aalen zu locken, aber Du wolltest die vertrauten norddeutschen Gefilde nicht verlassen.
So kam es, dass wir uns erst etliche Jahre später im Hamburger Ohnsorg-Theater wieder begegneten. Nach Gastspielen in „Jeppe in’t Paradies“ und als „Räuber Hotzenplotz“ (1999/2000, Deine erste Paraderolle bei uns!) war rasch klar: Dieser Horst Arenthold passt perfekt ins Ensemble! Der damalige Intendant Christian Seeler engagierte Dich folgerichtig zur Spielzeit 2006/07 fest an unser Haus.
Schnell zeigte sich dann auch dein außerordentliches musikalisches Talent, das Du z. B. in „Swatte Hochtiet“ als Alleinunterhalter unter Beweis stellen konntest, bei „Rock op Platt“, in „De lütte Horrorladen“ oder in „Soul Kitchen“.
Im Lauf der Jahre hast Du viele große und wichtige Rollen gespielt, hier seien nur einige genannt: Der Zauberkünstler Kiepert in „De blaue Engel“ (2008/09), Hein Dickback in „Stratenmusik“
(2010/11), zur Eröffnung des neuen Hauses am Heidi-Kabel-Platz Zettel in „En Sommernachtsdroom“ (2011/12), Dorfrichter Adam in „Dat Schörengericht“ (2014/15), Vater Capulet in „Romeo un Julia“ (2017/18) zu Beginn der Intendanz von Michael Lang.
Ich hatte oft die Ehre und das Vergnügen, an Deiner Seite zu spielen oder Dich zu inszenieren. Das war nicht immer ganz einfach, denn mehr als allem anderen fühltest Du Dich der Wahrhaftigkeit im Spiel verpflichtet. Wenn etwas für Dich „nicht stimmte“, sei es eine Textzeile, das Verhalten einer Figur oder ein Regieeinfall, der Dir nicht einleuchtete, konntest Du widerspenstig werden. Ich erinnere mich eines weiteren musikalischen Stückes, das wir zusammen machten, „Otello dörf nich platzen“ (2010/11). Du spieltest den berühmten Opernsänger Tito Merelli, der den Otello singen soll. Ich konnte mir die Rolle nicht mit Bart vorstellen, also bat ich Dich, ihn abzunehmen – Deinen geliebten Bart! Ein schwerer Fehler, wir gerieten sogar in Streit darüber (das einzige Mal in all den Jahren). Am Ende drohtest Du gar mit Kündigung, und ich gab nach. Natürlich warst Du vollkommen im Recht: Wieso soll Otello keinen Bart tragen? Im Nachhinein habe ich mich für meine Sturheit sehr geschämt. Aber wir haben uns schnell wieder vertragen. Auch das warst Du, lieber Horst: ein kritischer Geist, der eine Meinung hatte und diese auch vertrat, wenn es darauf ankam.
In den letzten Jahren machte Deine Gesundheit Dir zunehmend zu schaffen, sie schränkte auch die Rollenvielfalt für Dich ein. 2019 glänztest Du noch einmal als Page in „Alarm in‘t Grand Hotel“ und 2020 als Ewald Brummer bei der Wiederaufnahme von „Tratsch op de Trepp“. Deine letzte Premiere war dann am 4. März 2020 „Champagner to‘n Fröhstück“, bevor die Corona-Pandemie Mitte März dem Theaterbetrieb ein vorläufiges Ende setzte. Wenig später hast Du Dich in den Ruhestand verabschiedet. Inzwischen läuft der Spielbetrieb wieder normal, nur leider ohne Dich.
Wie beliebt Du bei allen im Ohnsorg-Theater warst, zeigte sich darin, dass viele Kolleg*innen aus ganz verschiedenen Abteilungen den Kontakt zu Dir gehalten und Dich zu Hause besucht haben.
Lieber Horst, wo immer Du jetzt auch bist, es möge Dir gut gehen! Wi warrt di missen un nich vergeten.
Frank Grupe, ehemaliger Oberspielleiter